In eineinhalb Tagen die Geschichte, Struktur und das Wirken der eigenen Pfarrei kennenlernen und sichern
Warum muss ein Archiv angelegt werden?
Das Kirchenrecht besagt: Jede Pfarrei muss ein Archiv führen. „In jeder Pfarrei muss eine Urkundensammlung, d.h. ein Archiv vorhanden sein, in dem die pfarrlichen Bücher aufzubewahren sind zusammen mit den Briefen der Bischöfe und anderen Dokumenten, die notwendiger- oder zweckmäßigerweise aufzuheben sind.“ Verantwortlich ist der Pfarrer. Die kirchlichen Archive dienen einerseits der Arbeit der Verwaltung, andererseits kommt ihnen als Ort „des Gedächtnisses der Kirche, das erhalten und weitergegeben, wiederbelebt und ausgewertet werden soll“, eine besondere pastorale Funktion zu. So lautet das Schreiben der päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche.
400 Ordner aus 60 Jahren
Die Pfarrei Mariä Himmelfahrt besteht seit dem Jahr 1956. Am 16. September 1956 wurde die Kuratie Mariä Himmelfahrt kirchenrechtlich errichtet und von der Stadtpfarrei St. Jakob Dachau abgetrennt. Mit Wirkung vom 1. August 1959 wurde die Kuratie zur Stadtpfarrei erhoben. Schon längst hätte man ein Pfarrarchiv anlegen müssen, aber leider wurde dieses bisher nie realisiert. Das Pfarrhaus war vom Keller bis zum Dachboden mit Ordnern und Unterlagen vollgepackt. In feuchten Kellerräumen lagerten Unterlagen vom Pfarrheim in der Gröbenrieder Straße und der Filialkirche St. Johann an der Schillerstraße. Die Registratur von der Kirchenstiftung und unserem ehemaligen Kindergarten in Dachau-Süd befand sich in mehreren Räumen. Die Unterlagen waren in zahlreichen Schränken zu finden, die überquollen. So lagerten im gesamten Pfarrhaus über 400 Ordner, Mappen und Kartons.
Das Vorgehen wird geplant
Der Anfang 2019 neu gewählte Kirchenpfleger Erwin Kopf holte sich fachmännischen Rat bei der Erzbischöflichen Fachaufsicht für Archive. Bereits im Mai 2019 fand eine erste Begehung mit dem Archivar Hr. Dr. Sterzenbach vom Archiv des Erzbistums München und Freising statt. Nach seiner Einschätzung könne der Bestand auf 25% reduziert werden, dazu wären ca. „15 Manntage“ notwendig. Bei einer Erschließung durch freiberufliche Fachkräfte unter Aufsicht eines Archivars des Erzbistums München würden Kosten von ca. 4.000 € – 5.000 € entstehen. Diese Kosten waren für die Pfarrei Mariä Himmelfahrt zu hoch. Das Erzbistum bietet aber Unterstützung bei einer Erschließung des Pfarrarchivs durch Ehrenamtliche vor Ort an, den sogenannten „Münchner Weg“. Die Kirchenverwaltung beschloss im Sommer 2019, diesen Weg zu gehen und das Archiv in Eigenregie anzulegen.
Covid-19 unterbricht die Aktion
So wurde schon im Herbst 2019 ein Raum im Pfarrhaus so vorbereitet, dass dort die Registratur und das Archiv untergebracht werden können. Die Fenster wurden mit UV-Folie bezogen, Metallregale wurden aufgestellt und Archivmappen und -kartons angeschafft. Dann erfolgte ein tagelanges Zusammentragen und Vorsortieren der Ordner im Pfarrhaus. Der nächste Schritt war für das Frühjahr 2020 geplant. Mit fünfzehn Ehrenamtlichen sollte ‒ nach einer kurzen Schulung und Einweisung ‒ mit der Überführung von Unterlagen, die eine bleibende Bedeutung haben, ins Archiv begonnen werden. Gleichzeitig sollte die Vernichtung von nicht dauerhaft aufzubewahrenden Unterlagen („Kassation“) erfolgen. Leider kam der COVID-19-Lockdown dazwischen, und das Vorhaben konnte nicht ausgeführt werden.
Vorbereitungen für den zweiten Anlauf
Unter strenger Einhaltung aller coronabedingten Maßnahmen (Hygienevorschriften, Abstandsregelungen, Maskenpflicht) wurde am 11. und 12. September 2020 ein neuer Versuch gestartet. Bereits eine Woche vor der Durchführung wurden alle vorsortierten Ordner, Mappen und Kartons aus dem Pfarrhausspeicher auf drei Räume im Pfarrhaus und im Kirchensaal verteilt. Arbeitstische wurden so aufgestellt, dass der Abstand beim Sichten und Sortieren eingehalten werden konnte. Am Freitag, den 11. September, kamen um 15 Uhr elf ehrenamtliche Helfer und Helferinnen in den Kirchensaal. Herr Dr. Christopher Sterzenbach hielt eine kurze Einweisung, und die ersten Ordner wurden zerlegt. Nachdem alle Fragen beantwortet waren, verteilten sich die Teilnehmer/innen auf die vorbreiteten Räume.
Datenschutz auch bei der Aktenvernichtung
Die Freiwilligen hatten sich für die nächsten eineinhalb Tage viel vorgenommen. Einige bezweifelten, dass sie das Pensum jemals schaffen würden. Aber es ging sehr zügig voran. Um möglichst wenige Personenbewegungen im Pfarrhaus zu haben, pendelte lediglich eine Person zwischen den Räumen, um die gesichteten, nicht archivierungswürdigen Unterlagen einzusammeln und diese auf der Kassationsliste zu verzeichnen. Das Aussortieren des Materials aus den Ordnern war sehr anstrengend. Jeder Beleg, jeder handschriftlich geschriebene Zettel, jede Rechnung musste gesichtet werden. Die Ordnerberge wollten nicht kleiner werden. Im Anschluss wanderte das ausgesonderte Material in Sicherheitsbehälter mit einem intelligenten, elektronischen Schließsystem. Das ganze Material wurde eine Woche später der Aktenvernichtung gem. DS-GVO/DIN 66399 in Schutzklasse 3, Sicherheitsstufe 4 zugeführt. Acht Sicherheitscontainer mit einem Fassungsvermögen von je 50 Ordnern waren gefüllt. Gut eine Tonne Papier wurde so der Vernichtung zugeführt.
Pfarrer Dr. Gnan zeigt sich beeindruckt
Von dem archivwürdigen Material wurden alle Büro- und Heftklammern entfernt, und anschließend wurden die Schriftstücke in Aktenumschlägen und Archivmappen gesammelt. Am Nachmittag besuchte Pfarrer Dr. Benjamin Gnan die Räumlichkeiten und machte sich ein Bild vom Fortschritt beim Aufbau des Archivs. Er war sehr beeindruckt, wie motiviert die Ehrenamtlichen bei der Sache waren. Das archivwürdige Material ist nun in 52 Archivkartons säuberlich verpackt und befindet sich jetzt im neuen Archiv der Pfarrei Mariä Himmelfahrt.
Ein herzliches Vergelt’s Gott allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern aus der Pfarrgemeinde für diese großartige Leistung! Alle, die teilgenommen haben, hoffen, dass solch eine Aktion nicht mehr notwendig wird, indem ab sofort regelmäßig am Jahresende an die Registration und das Archivieren gedacht wird.