Wer nicht wusste, was los war, der hätte beim flüchtigen Blick ins Pfarrblatt den Eindruck gewinnen können, der 17. September sei ein trauriger Tag für den Pfarrverband. Da wurde nämlich nüchtern vermeldet: „Die Gottesdienste in Mariä Himmelfahrt um 10 Uhr sowie in den Filialkirchen v. St. Jakob – Etzenhausen und Prittlbach – entfallen am 17.09.2023.“ Gleich drei Sonntagsmessen abgesagt – ist es schon so schlimm mit der Kirchenkrise?
Ganz und gar nicht! Die Kirche (im Sinne der Menschen, die sie bilden) lebt, und die Kirche (im Sinne des Bauwerks) strahlt wieder – beides konnte man in eindrücklicher Weise erleben, wenn man an besagtem Sonntag, den 17. September, in der Pfarrkirche St. Jakob dabei war. Nach achtmonatiger Schließung mit Innenreinigung und Modernisierungsarbeiten stand die feierliche Wiedereröffnung an, und so erklärten sich auch die ausfallenden anderen Messfeiern: Der gesamte Pfarrverband sollte mitfeiern können. Bereits eine halbe Stunde vor Gottesdienstbeginn: emsiges Treiben rund um die Kirche, eine spürbare unruhige Vorfreude, Fahnenabordnungen, fesche Leut’ in Tracht, herumwuselnde Ministranten. Innen dann: ein festlich geschmücktes und gut gefülltes Gotteshaus, wie in guten (?) alten Zeiten.
Apropos „gut gefüllt“: In den Tiefen des Kirchenschiffs lässt sich ja bei Bedarf immer noch der eine oder andere Stehplatz finden, doch im Altarraum war diesmal zweifelsohne das behördlich erlaubte Maximum erreicht. Fangen wir mal entgegen den Gepflogenheiten nicht bei der bischöflichen Exzellenz, sondern andersherum an: Rund 45 Ministrantinnen und Ministranten feierten mit und waren tatsächlich alle mit jeweils unterschiedlichen Aufgaben vertraut. Bei diesem Anblick fiel es schwer, an ein Nachwuchsproblem der Kirche zu glauben. Nein, da waren Dutzende Kinder und Jugendliche, die in ihrer freien Zeit gern am Gottesdienst mitwirkten und frisches Leben in die Bude brachten!
Da wir sie wegen der hohen Papierkosten nicht alle namentlich nennen können, gewähren wir dieses Privileg ausnahmsweise auch dem erwachsenen liturgischen Personal im Altarraum nicht – ebenfalls eine veritable Menschenmenge, welche sich zusammensetzte aus einem Mesner, einem bischöflichen Mitarbeiter, einem Diakon, einem Diakonatspraktikanten, einer Pastoralreferentin, einer Gemeindereferentin, noch einer Gemeindereferentin, einem Kaplan, noch einem (ganz neuen) Kaplan, einem Pastoralreferenten, einem Ruhestandsgeistlichen, einem Pfarrer, noch einem Ruhestandsgeistlichen (und früheren Pfarrer), sowie einem Weihbischof. Nur dieser Bischof sei hier aus besonderen Gründen der Höflichkeit auch mit seinem Namen genannt: Bischof. Neben der Ministrantenschar war auch der Anblick dieser so zahlreich vertretenen und bunt gemischten kirchlichen Mitarbeiterschaft ermutigend; all das zeigte, wie gut der Pfarrverband personell aufgestellt ist.
Insgesamt also rund 60 liturgisch gewandete Personen, die rund um den Altar versammelt waren – wann hat es das zuletzt gegeben? Beinahe fühlte man sich an die biblische Geschichte von der Heilung des Gelähmten erinnert, als die Männer wegen der vielen Menschen im Haus nicht bis zu Jesus durchkamen und daher den Weg über das Dach wählten. Doch so weit kam es in St. Jakob nicht, bei der Kommunion fanden alle den regulären Weg zum Herrn, wenngleich es knapp war: Kurzzeitig drohten die Hostien aufgrund des großen Zuspruchs zur Neige zu gehen. (Hierbei auch eine schöne kleine Beobachtung am Rande: Nach den kontaktlosen, sterilen Jahren der Pandemie trauen sich Geistliche, wenn sie bei der Kommunionausteilung kleinen Kindern den Segen spenden, wieder öfter, ein „richtiges“ Kreuzzeichen auf die Stirn zu machen oder dem Kind die Hand auf den Kopf zu legen – gut so!)
Und dann die prächtige musikalische Gestaltung: Chor und Orchester, Gesangssolisten und natürlich die neu intonierte Orgel führten Mozarts „Krönungsmesse“ auf. Der Kirchenpfleger gab zum Schluss noch, sichtlich stolz und bewegt, einen kleinen Überblick über die im Kirchenraum geleisteten Arbeiten, und viele Köpfe reckten sich und schauten sich einmal mehr nach allen Seiten in diesem „Haus voll Glorie“ um. Ja, unsere Pfarrkirche ist wieder picobello! Nach dem Segen schließlich erscholl ein gewaltiges, ja inbrünstiges „Großer Gott, wir loben dich“, und hätte sich auf dem Schrannenplatz ein Mensch aufgehalten, der nicht gewusst hätte, was „katholisch“ bedeutet, man hätte ihn in diesem Augenblick schnell hereinholen mögen.
Bei spätsommerlichem Traumwetter strömte die Festgemeinde dann zügig hinüber zum Pfarrheim, wo die Feierlichkeiten bei einem großen Pfarrfest mit Rollbraten und Weißbier, veganem Curry und Spezi, Kuchen und Kaffee ihre Fortsetzung fanden. Und wie schon im Gotteshaus zeigten auch dort viele Ehrenamtliche Präsenz und leisteten einen Beitrag für die ganze hungrige, durstige und lustige Gemeinschaft. Am Ende dürften wohl nicht wenige mit einem in den vergangenen Jahren womöglich etwas verlernten Gefühl nach Hause gegangen sein: Hey Kirche, geht doch! Lasst uns hoffentlich bald wieder so feiern!
Joachim Burghardt